Schwerpunktthema Kriegsdienstverweigerung in Südkorea

Jung-min Choi

Erst im Jahr 2001 wurde das Konzept der Kriegsdienstverweigerung der koreanischen Öffentlichkeit bekannt. Eine politische Zeitschrift berichtete über ein Forum zum Militärdienstsystem und das Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Die Zeitschrift richtete besondere Aufmerksamkeit auf die Geschichte der kriegsdienstverweigernden Zeugen Jehovahs. Seit der Bildung der koreanischen Armee wurden mehr als 10000 Verweigerer (die meisten Zeugen Jehovahs ) eingesperrt. Die Öffentlichkeit hatte sie bis dahin als nicht existent behandelt.

Korea hat eine lange Geschichte von Militärdiktaturen. Unter dem Slogan "je reicher das Land, desto besser die Lebensbedingungen der Menschen" haben die Regierungen grosse Anstrengungen unternommen, das Wirtschaftswachstum zu förden, an nichts anderem als dem Bruttosozialprodukt interessiert. Die militärische Konfrontation mit Nordkorea wurde benutzt um Gehorsam und Einheit zu schaffen. Der Kern des koreanischen Militarismus war und ist die Wehrpflicht. Es ist einsichtig, das Kriegsdienstverweigerung nicht akzeptiert werden konnte, und KDVer wurden hart behandelt.

Der Anfang einer KDV-Bewegung

Im Jahr 2001 war es ein Tabu über Fragen wie Militärdienst, Soldatenrechte, und Kriegsdienstverweigerung zu reden. Ehrlich gesagt hatten auch wir Zweifel, ob wir in der Lage sind, an einem so kontroversen Thema zu arbeiten. Wie erwartet begann die Polizei von Seoul eine Woche nach unserem Forum Ermittlungen gegen drei antimilitaristische Internet-Seiten, die auch Informationen zur Vermeidung des Militärdienstes beinhalteten. Als Antwort darauf organisierten eine Reihe von Friedens- und Menschenrechtsorganisationen ein Symposium, und veröffentlichten einen Bericht, um das Tabu zu enthüllen, und die 50 Jahre andauernde Inhaftierung von KDVern und das Recht auf KDV in die Öffentlichkeit zu bringen.

Seitdem ist das Interesse der Öffentlichkeit angestiegen. Ein grösseres Bewusstsein über die schmerzhafte Geschichte der Verweigerer und ihrer Familien hat dabei eine Rolle gespielt. In einer von einer Tageszeitung durchgeführten Umfrage haben mehr als 50% der Befragten das Recht auf KDV akzeptiert. Die Idee, das es möglich ist, den Kriegsdienst zu verweigern, hat in Korea ein sehr wichtiges Momentum provoziert, insbesondere unter jungen StudentInnen und AktivistInnen, die den Militärdienst noch vor sich haben. Mit der Verbreitung der Idee haben wir eine steigende Zahl von Telefonanrufen und emails erhalten, mit der Bitte um Informationen zur KDV. Im Dezember 2001 erklärte Oh Tae-yang, ein Pazifist und Buddhist, seine Kriegsdienstverweigerung, und verwandelte KDV in eine politische Frage, verbunden mit den Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea und nationaler Sicherheit.

KDVer - Bedrohung der nationalen Sicherheit?

Im Jahr 2002 gründeten verschiedene Menschenrechtsorganisationen "Korea Solidarity for Conscientious Objection" (KSCO). Ein Richter appellierte an das Verfassungsgericht, da er Zweifel an der Verfassungsmässigkeit des derzeitigen Militärdienstgesetzes hatte. Seit Oh Tae-yang's KDV-Erklärung ist die politische KDV angestiegen. Bis heute haben insgeöffentlichesamt acht Personen ihre Kriegsdienstverweigerung erklärt. Als der Student Na Dong-hyuk seine KDV erklärte, erklärten 20 weitere Studenten, dass sie ihren Militärdienst verweigern werden, wenn sie ihre Einberufung erhalten. KSCO erhält eine steigende Zahl von Anfragen von Menschen, die sich überlegen zu verweigern. Wir haben daher ein regelmässiges Treffen für Menschen eingerichtet, die sich Sorgen um ihre Situation machen. Im Winter 2002 haben wir eine "KDV-Schule" organisiert, bei der wir Informationen anboten und die Möglichkeit gaben, das Verständnis von KDV zu vertiefen.

Mit dem Anwachsen der KDV-Bewegung in Korea, insbesondere unter jungen Menschen, begann die Regierung zu reagieren. Das Bildungsministerium verschickte Richtlinien an alle Universitäten, die die Verbreitung der KDV-Bewegung verhindern sollen. Das Verteidigungsministeriun veröffentlichte ein Erklärung gegen das Recht auf KDV. Auch der damalige Präsident Kim Dae-jung sprach sich gegen das Recht auf KDV aus.

Die US-Angriffe auf den Irak, und...

Die US-Angriffe auf den Irak hatten einen grossen Einfluss auf die koreanische Gesellschaft. Zum ersten Mal erhoben viele Menschen ihre Stimme gegen Krieg und für Frieden in Bezug auf ein anderes Land. Viele FriedensaktivistInnen reisten in den Irak, um den Krieg zu stoppen, oder um Zeuge zu sein. Als die Frage des Einsatzes koreanischer Truppen aufkam, wurde die Antikriegsbewegung breiter. Gegen Ende des Krieges erklärte ein weiterer KDVer, Kim Do-hyung, seine Verweigerung. In einer Pressekonferenz sagte er, dass es ihm Schmerzen verursacht, wenn er die US-Angriffe auf den Irak sieht. Er sagte, dass der Einsatz koreanischer Truppen ihn darin bestärkt hat den Kriegsdienst zu verweigern, da er nicht Teil einer Armee sein wolle, die an einem ungerechten Krieg beteiligt ist.

Zu lösende Probleme

In diesem Jahr hat sich die Gruppe "People Sharing Conscience", die KDVer unterstützt, in "World Without War" umbenannt. Einige KDVAktivistInnen haben sich am internationalen KDV-Tag und Training in Israel beteiligt. In Korea haben wir ein Friedenscamp für KDVer und AntimilitaristInnen organisiert. Auch wenn wir mehr oder weniger unerfahren waren, so war das doch das erste Mal, dass ein solches Camp in Korea stattfand. Eine neue Dokumentation zur KDV wurde fertiggestellt, und die öffentliche Premiere hat bereits stattgefunden. Wir erhoffen uns, dass sie viel eingesetzt wird. Wir planen die KDV-Friedenskampagne auf den Strassen Koreas und bereiten den Tag der Gefangenen für den Frieden am 1. Dezember vor.

Es ist ein Paradox, dass in Korea, ein Land mit einer langen Geschichte des Kampfes für Demokratie, der Kampf für KDV nur drei Jahre jung ist. Es gibt bisher nur wenige KDVer, und es mag lange dauern, bis sie viel öffentliche Unterstützung geniessen. Doch es ist offensichtlich, dass die KDV-Bewegung eine neue Perspektive für eine andere Welt bietet. Sie mag langsam vorwärts schreiten, doch sie tut es machtvoll.

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