Kriegsdienstverweigerung in Griechenland

Gemeinsame Erklärung der War Resisters' International und des Europäischen Büros für Kriegsdienstverweigerung

Seit Jahrzehnten weigert sich Griechenland systematisch, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung anzuerkennen, und hat Kriegsdienstverweigerer wiederholt eingesperrt. Als das Recht auf Kriegsdienstverweigerung 1997 endlich formal anerkannt wurde, geschah das in einem bewusst zwanghaftem und bestrafendem Rahmen. So ist z.B. der Ersatzdienst 18 Monate länger als der Militärdienst[1]. In Kürze: der Ersatzdienst ist wesentlich länger (mehr als doppelt so lang wie der Militärdienst), der Einsatz und die Betreung von Kriegsdienstverweigerern, die Ersatzdienst leisten, befinden sich unter der Verantwortung der Militärbehörden, und in der Praxis gibt es eine Vielzahl von Diskriminierungen von Kriegsdienstverweigerern[2].

Alle diese Verletzungen des Menschenrechts auf Kriegsdienstverweigerung wurden in zahlreichen Berichten dokumentiert: der Bericht von Amnesty International vom Juni 2003[3], War Resisters' International's Bericht vom Juli 2003[4], die Jahresberichte des Europäischen Parlaments[5], und die Empfehlungen des Europarates. In Antwort auf eine Gruppenbeschwerde des Quaker Council for European Affairs[6], dass Griechenland die Europäische Sozialcharta verletzt indem es Kriegsdienstverweigerer unverhältnismäßig länger vom Arbeitsmark fernhält als Soldaten – aufgrund der betrafenden Länge des Ersatzdienstes – hat das Europäische Komitee für Sozialrechte am 25. April 2001 entschieden "dass diese zusätzlichen 18 Monate, in denen den betroffenen Personen das Recht verweigert wird, ihren Lebensunterhalt in einer von ihnen frei eingegangenen Beschäftigung zu verdienen, nicht als innerhalb eines angemessen Rahmen liegend angesehen werden können, im Vergleich zur Dauer des Militärdienstes. Daher betrachtet sie diese zusätzliche Dienstdauer, aufgrund ihres überhöhten Characters als unverhältnismäßige Beeinträchtigung des "Rechtes des Arbeiters seinen Lebensunterhalt in einer frei eingegangen Beschäftigung zu verdienen" an, und ist daher im Widerspruch zu Artikel 1 Absatz 2 der Charta'[7]


Der Fall von Lazaros Petromelidis

Nach einem langen Kampf wurde Petromelidis 1999 als Kriegsdienstverweigerer anerkannt, doch wurde er dann zu 30 Monaten Ersatzdienst einberufen, an Stelle von 4 Monaten Militärdienst. Er verweigerte dies, und so wurde ihm der KDV-Status aberkannt. Am 15. April 1999 wurde er wegen Wehrpflichtentziehung (vor seiner KDV-Anerkennung) zu 4 Jahren Haft verurteilt. Nach 2 ½ Monaten wurde er aufgrund seiner anhängigen Berufung gegen Auflagen entlassen. Die Berufung wurde schliesslich am 12. Juni 2003 entschieden, als er zu 20 Monaten auf Bewährung verurteilt wurde. Das neue Verfahren jetzt geht auf seine Wehrdienstentziehung vom Ersarzdienst zurück. Er wird jetzt am 19. Februar 2004 vor dem Marinegericht in Thessaloniki vor Gericht stehen. Er ist der "Wehrdienstentziehung in Zeiten allgemeiner Mobilmachung" angeklagt, die im Krankenhaus für chronische Krankheiten in Kilkis (seiner Ersatzdienststelle, unter Verantwortung des Ministeriums für Gesundheit und Soziales!) begangen wurde.

Zusätzlich wurden neue Ermittlungen wegen "Wehrdienstentziehung" eingeleitet, und im November 2003 versuchte die Polizei Petromelidis zu verhaften[8].

Lazaros Petromelidis hat wiederholt erklärt, dass er bereit ist einen Ersatzdienst zu leisten, der keinen Strafcharakter aufweist und europäischen Standards entspricht.

Dieser neue Prozess und die neuen Ermittlungen stehen im Widerspruch zu Artikel 14 Absatz 7 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte: "Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des jeweiligen Landes rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, erneut verfolgt oder bestraft werden." Lazaros Petromelidis ist am 12. Juni 2003 wegen seiner Kriegsdienstverweigerung verurteilt worden. Jede weitere Verweigerung muss als Konsequenz dieser ursprünglichen Kriegsdienstverweigerung angesehen werden, für die er bereits bestraft wurde. Das entspricht etablierten rechtlichen Standards, und wurde auch von der Arbeitsgruppe zu willkürlicher Inhaftierung der Vereinten Nationen in mehreren Fällen zum Ausdruck gebracht[9].


Schlussfolgerungen

War Resisters' International und das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung fordern von der griechischen Regierung und dem neuen griechischen Parlament die Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern zu beenden, und endlich das Recht auf Kriegsdienstverweigerung entsprechend den von internationalen Organisationen und dem Europarat vorgegeben Standards anzuerkennen. Wir möchten insbesondere auf die Resolution 2001/2014 des Europäischen Parlaments bezüglich der Gedankens-, Gewissens-, und Religionsfreiheit aufmerksam machen, die “Griechenland auffordert das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ohne Einschränkungen und ohne Referenz zu jeglichen religiösen Gründen anzuerkennen,und Formen des Ersatzdienstes einzuführen, die nicht länger sind als der Wehrdienst, und unverzüglich alle die zu entlassen, die in diesem Zusammenhang Haftstrafen verbüssen”.

Abschliessend fordern wir, dass Griechenland Gesetze zur Kriegsdienstverweigerung verabschiedet die mit den internationalen Standards übereinstimmen, wie sie von den Vereinten Nationen[10], dem Europarat[11], und der Europäischen Union gesetzt wurden.


War Resisters' International
Europäisches Büro für Kriegsdienstverweigerung

1 Law 2510/97, which came into force on 1 January 1998. http://www.omhroi.gr/SAS/l2510en.htm
2 See for example: War Resisters' International: Conscientious objection in selected member states of the OSCE, July 2003, http://wri-irg.org/co/osce-rep.htm
3 Amnesty International: Greece. To be in the army or choosing not to be: The continuous harassment of conscientious objectors. AI Index EUR 25/003/2003, http://web.amnesty.org/library/Index/ENGEUR250032003?open&of=ENG-GRC
4 War Resisters' International: Conscientious objection in selected member states of the OSCE, July 2003, http://wri-irg.org/co/osce-rep.htm
5 European Parliament, Committee on Citizens' Freedoms and Rights, Justice and Home Affairs: Working Document on the situation concerning fundamental rights in the European Union 2002, 16 April 2003, http://www.europarl.eu.int/meetdocs/committees/libe/20030519/495644en.pdf
6 Collective complaint on Greece to the Council of Europe under the Social Charter, http://www.terra.es/personal/beoc.ebco/Reports/complain.htm
7 European Committee of Social Rights, Decision on the merits, Complaint 8/2000, http://www.coe.int/T/E/Human_Rights/Esc/5_Collective_complaints/List_of_collective_complaints/RC8_on_merits.asp
8 War Resisters' International: GREECE: Police attempted to arrest conscientious objector Lazaros Petromelides, 21 November 2003, http://wri-irg.org/news/htdocs/20031121a.html
9 Working Group on Arbitrary Detention: Opinion No 36/1999 (TURKEY), Opinion No 24/2003 (ISRAEL)
10 United Nations Commission on Human Rights (1998), Resolution 1998/77: Conscientious Objection to Military Service and subsequent resolutions in 2000 and 2002
11 Council of Europe (1987), Recommendation No. R (87) 8 of the Committee of Ministers

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