Die Krise auf der koreanischen Halbinsel: Hintergründe und zentrale Punkte

Sang Youl Sohn

Entgegen der weit verbreiteten Meinung, die Krise auf der koreanischen Halbinsel hätte mit der Nuklearentwicklung Nordkoreas begonnen, hat diese ihren Ursprung in der aggressiven Atom- und Militärpolitik der USA und wurde durch Nordkoreas Umgang damit noch komplizierter.

Das Atomproblem auf der koreanischen Halbinsel kam etwa im Oktober 2002 ins Licht der Öffentlichkeit, als ein US-Sonderbeauftragter für Nordkorea beim Besuch des Staates einen Verdacht bezüglich des Nuklearentwicklungsprogramms äußerte und mit seiner Aussage, der Norden gestehe die Verdächtigung ein, die derzeitige Krise auslöste. Allerdings konnten die USA bisher keinen handfesten Beweis für die nordkoreanische Nuklearforschung vorweisen, was die Frage aufwirft, weshalb die USA zu diesem Zeitpunkt mit ihrem grundlosen Verdacht Auseinandersetzungen mit Nordkorea anstreben.

Hintergrund

Um den Ursprung der Atomkrise auf der koreanischen Halbinsel zu verstehen, muss zunächst die US-amerikanische Nuklearpolitik näher betrachtet werden. So hatten die USA seit dem Koreakrieg die Absicht, tatsächlich dort Atomwaffen einzusetzen, und stationierten sie um und auf der Halbinsel - laut Schätzungen handelte es sich in den 1970er und 1980er Jahren um etwa 700 Atomwaffen in Südkorea. Das Ende des Kalten Krieges in den 1990er Jahren führte auch in den beiden Koreas zu Veränderungen. Die von den USA stationierten Atomwaffen wurden nach und nach abgebaut, und 1991 wurde die "Erklärung für eine atomwaffenfreie koreanische Halbinsel" in einer Übereinkunft der beiden koreanischen Regierungen angenommen. Infolge des Sicherheitsabkommens, das Nordkorea 1992 mit der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) abschloss, begann die IAEO eine Untersuchung der Nuklearanlagen in Nordkorea.

Im Herbst 1992 kam es zwischen Nordkorea und den USA jedoch zu ernsten Spannungen über Möglichkeiten und Ausmaß der Untersuchungen. Vor diesem Hintergrund führten die USA die in den 1990er Jahren eingestellte Team-Spirit-Übung durch, eine gemeinsame Militäroperation der USA und Südkoreas, woraufhin Nordkorea aus Protest den Atomwaffensperrvertrag aufkündigte und damit den Auftakt gab für eine weitere Verschlimmerung der Situation bis zum Rand eines Krieges. 1994 wurde das Genfer Abkommen unterzeichnet, das im Wesentlichen drei Übereinkünfte beinhaltete: die Einstellung der Aktivität der Nukleareinrichtungen durch Nordkorea, die Bemühungen beider Seiten um eine vollständige Normalisierung der Beziehungen und die Belieferung Nordkoreas mit zwei Leichtwasserreaktoren durch die USA, um die dortigen Probleme in der Energieversorgung zu lösen. Allerdings verstießen die Vereinigten Staaten gegen das Genfer Abkommen, indem sie absichtlich den Bau der Leichtwasserreaktoren, deren Fertigstellung für 2003 geplant war, verzögerten und zudem das Versprechen einer Normalisierung der Beziehungen nicht hielten, was unter anderem eine Garantie der USA beinhaltete, keine Atomwaffen gegen Pjöngjang einzusetzen. Stattdessen kam es immer wieder zu militärischen Drohgebärden gegen Nordkorea, was sich nach dem 11. September 2001 noch verstärkte, als Bush Nordkorea als Teil der "Achse des Bösen" bezeichnete und auch die Möglichkeit eines Präventivschlags nicht ausschloss. Die Bush-Administration erwog sogar offen einen Regimewechsel in Nordkorea.

Damit wird schließlich auch der Grund für die unbewiesenen Verdächtigungen gegen die Nuklearforschung deutlich, mit denen die Vereinigten Staaten derzeit für Auseinandersetzungen mit Nordkorea sorgen: bei einem derartigen Verdacht sehen sich die USA nicht der Kritik dafür ausgesetzt, dass sie ihrer Verpflichtung zur Erfüllung des Genfer Abkommens nicht nachgekommen sind, sondern sie erklären vielmehr Nordkorea für die Nichterfüllung der Abmachungen verantwortlich. Ein weiterer Grund ist die bessere Durchsetzung von USInteressen auf der koreanischen Halbinsel und in Ostasien. Während die Thematisierung der Nuklearforschung also voranschreitet, hat die nordkoreanische Verwaltung aufgrund dieser Sicherheitsbedrohung gewichtige Maßnahmen gegen USA ergriffen, wobei jedoch klar ist, dass diese militaristische Herangehensweise Nordkoreas ebenfalls sehr gefährlich ist.

Die aktuelle Situation

In jüngster Zeit wurde vielfach die Ansicht geäußert, dass die US-amerikanische Außenpolitik gegenüber Nordkorea stärker auf Kompromisse und multilaterale Verhandlungen abziele als auf Konfrontation und Unilateralismus, wobei hier wahrscheinlich an die im August in Peking begonnenen Sechs-Parteien- Gespräche (Südkorea, Nordkorea, USA China, Japan und Russland) gedacht wird.

In Wirklichkeit wollen die USA mit ihrer Teilnahme an einem multilateralen Rahmen wie diesen Sechser-Runden nur die Unterstützung durch die umliegenden Länder und die Ausübung von Druck auf Nordkorea erreichen. Mit der Gleichzeitigkeit einer Lösung der Nuklearfrage und einer Sicherheitsgarantie für die nordkoreanische Gesellschaft stellten die Sechser-Runden eine neue und ehrliche Herangehensweise an das Problem vor. Die Vereinigten Staaten waren allerdings nicht zu Zugeständnissen bereit: zuerst müsse Nordkorea sein Atomprogramm aufgeben, erst dann würden die USA eine Sicherheitszusage abgeben. Die ganze Angelegenheit verschlimmert sich dadurch, dass die USA weiterhin militärischen Druck auf Nordkorea ausüben, was das Land noch mehr aufbringen könnte. Direkt nach Abschluss der Sechs-Parteien- Gespräche hielten die USA Anfang September in Frankreich eine Konferenz der Initiative zur Ausweitung der Sicherheit (PSI) ab, bei der die 11 Teilnehmer sich zu einer gemeinsamen Militärübung Mitte September entschlossen.

Dabei handelt es sich um einen Plan zur Verbesserung der Entdeckung und Ergreifung von Schiffen jener Staaten, die von den USA auf der "Achse des Bösen" verortet werden, wobei es nur allzu bekannt war, dass Nordkorea das Ziel war. Außerdem führten die USA in den vergangenen Monaten in Südkorea mit dem Stryker-Brigade-Feldmanöver eine Übung zur schnelleren Truppenstationierung durch und machte kürzlich eine Operation unter dem Titel "O-Plan" 5030 öffentlich, mit dem ein Zusammenbruch des nordkoreanischen Systems durch die Ermüdung seiner Militärmacht herbeigeführt werden soll.

Darüber hinaus fördern die USA mit dem entschuldigenden Verweis auf die verdächtige Nuklearentwicklung in Nordkorea den Militarismus in Nordostasien, was in einer verstärkten Militärpartnerschaft zwischen Südkorea, Japan und den USA Form annimmt. Japan erweitert als Reaktion darauf derzeit die Möglichkeiten seiner Streitkräfte und versucht die Friedensverfassung entsprechend zu ergänzen, während Südkorea sein Militärbudget gewaltig aufstockt - so wurde erst vor kurzem durch Medienberichte bestätigt, dass Südkorea der zweitgrößte Waffenimporteur ist. Das nordostasiatische Raketenabwehrsystem stärkt die Bedeutung der militärischen Partnerschaft zwischen den drei Ländern innerhalb der Region noch weiter.

Die Sicherheit der Menschen

Bis es zu einer Veränderung der Usamerikanischen Außenpolitik gegenüber Nordostasien kommt, wird sich die Krise auf der koreanischen Halbinsel verstärken, weshalb die Menschen sowohl im Norden als auch im Süden in Leid leben müssen. Selbst wenn die Krise im Rahmen der Sechser-Runde beigelegt werden sollte, wäre deshalb die Sicherheit und der Frieden für die Bevölkerung längst nicht gesichert. Der sicherste Weg zum Frieden in Nordostasien liegt in von den Menschen getragenen Graswurzelkampagnen und der internationalen Solidarität im Widerstand gegen den Krieg.

Sang Youl Sohn ist bei Solidarity for Peace and Human Rights in Suedkorea engagiert.
Übersetzung aus dem koreanischen in Engische: Dopehead Zo (WRI-Korea). Übersetzung ins Deutsche: Silke Makowski

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