Umgang mit Gender in gewaltfreien Trainings

Dieser Artikel entstand aus Material, welches in dem Handbuch für Gewaltfreiheit veröffentlicht wurde und aus einer Session über Gender und Gewaltfreiheit bei dem internationalem Trainingsaustausch von WRI, in Bilbao im Oktober 2008.

Es mag sich nach einer Selbstverständlichkeit anhören, dass wir sowohl Männer als auch Frauen an unserem Kampf gegen den Krieg und die Ungerechtigkeit beteiligen wollen. Jedoch, um die Talente, die Energie und die Kenntnisse aller Beteiligten zur Geltung bringen zu können, müssen wir Genderbewusstsein dabei entwickeln, wie wir uns organisieren, wie wir unsere Kampagnen entwerfen und wie wir unsere Trainings für die Aktionen durchführen.

Warum? Weil Gender, die Definitionen unserer Gesellschaften von männlichen und weiblichen Rollen, von Männlichkeit und Fraulichkeit, uns alle beeinflussen. Und die sozialen Traditionen, die Männlichkeit als dominierend, aggressiv und beherrschend und Fraulichkeit als schwach, gehorsam und dienend, festgelegt haben, haben jeden von uns tief beeinflusst. Genderbewusstsein hilft uns sicherzustellen, dass in unseren gewaltfreien Handlungen und Kampagnen wir nicht dieselben Ungerechtigkeiten fortsetzen, die wir versuchen zu stoppen.

In antimilitaristischen Kampagnen sind Genderbewusstsein und genderbezogene Analysen wertvolle Werkzeuge, um eine wirksame Strategie zu entwickeln. Der Genderaspekt spielt in jedem Konflikt eine Rolle. Er mag nicht der unmittelbare Anlass eines Konflikts sein, aber verschiedene Vorstellungen von Männlichkeit und Fraulichkeit finden sich im Zentrum dessen, warum und wie Leute kämpfen. Militärische Systeme sind auf bestimmten Ideen und Annahmen über männliche und weibliche Rollen aufgebaut. Um gewaltlose Strukturen und Systeme zu bilden, um Konflikte zu lösen, werden wir neue Annahmen und Erwartungen über das Geschlecht schaffen müssen.

Warum sollten sich Friedensorganisationen mit dem Problem der geschlechtsspezifischen Gewalt befassen?

Eine Genderperspektive vermittelt wichtige Einsichten für die Arbeit für Frieden und Gerechtigkeit. Ideen von Männlichkeit und Fraulichkeit finden sich an den Wurzeln der Gewalt und werden verwendet, um bewaffnete Auseinandersetzungen zu unterstützen. Das Maß der Gewalt gegen Frauen und Mädchen in Friedenszeiten ist ein wichtiger Indikator dafür, wie gerecht und friedlich eine Gesellschaft wirklich ist. Organisationen für Frieden und Gerechtigkeit, die die Gewalt des Krieges beenden wollen, werden wirksamer sein, wenn sie das gesamte Spektrum der Gewalt in ihrer Gesellschaft verstehen und sich damit auseinandersetzen.

Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt in Kriegen wissen, dass Versöhnung ohne Gleichberechtigung der Geschlechter unmöglich ist. Das Schweigen um die sexuelle Gewalt gegen Männer und Jungen in Kriegszeiten muss ebenfalls aufgebrochen werden. Friedensbewegungen können die Themen, die mit Gender und Krieg zu tun haben, wie die zunehmende Militarisierung von Frauen, die Fähigkeiten und Verantwortungsübernahme von Frauen und Mädchen für den Friedensprozess und wie die Geschlechterrolle Männer zum Kämpfen ermutigt, nicht ignorieren.

Warum ist die Genderperspektive so wichtig in unser Arbeit?

Leute, die für eine soziale Veränderung arbeiten, nehmen oft an, dass wir frei seien von verinnerlichten Annahmen über Geschlechterrollen und daher uns nicht weiterbilden müssten und uns nicht zu ändern bräuchten. Das Schaffen eines Bewusstseins und der Veränderung von uns selbst und der Dynamik innerhalb unserer Organisationen hinsichtlich des Genderthemas sind ein wichtiger persönlicher und organisatorischer Umwandlungsprozess, der selber dazu beiträgt, strukturelle Gewalt in der Gesellschaft abzubauen.

Es ist schwierig an Genderthemen zu arbeiten, weil es jeden von uns betrifft und wir es nicht umgehen können. Weil wir direkt betroffen sind, begegnen wir häufig Ängsten, wenn das Thema aufgebracht wird. Wir wissen nicht, wie man sich damit befasst oder wollen uns nicht damit befassen und wir haben Angst vor mehr Konflikten und Aufspaltung. Häufig ist es leichter zu sagen, dass das Thema für uns keine Priorität hat. Um uns zu ermutigen, können wir nach Beispielen suchen, wo andere Gruppen und Bewegungen begonnen haben, sich diesen Fragen zu stellen.

Warum sollte 'Gender' ein Teil von gewaltfreien Trainings sein?

  • Weil Frauen die Hälfte jeder Gemeinschaft ausmachen und die Aufgaben des 'peacebuilding' so groß sind, müssen Frauen und Männer Partner im Prozess des Friedensschaffens und im gewaltfreien Kampf sein.
  • Weil Sexismus, Rassismus, Klassenteilung und ethnische und religiöse Diskriminierung dem gleichen Glaubenssatz, dass einige Menschen von Natur aus "besser" seien als andere, entspringen, sollte die Stärkung von Frauen fester Bestandteil im Friedensbildungsprozess sein. Wie auch andere soziale Strukturen, die einige Menschen über andere stellen, führt der sexistische Glaube, dass Frauenleben weniger wertvoll sei, als das Leben von Männern, zu Gewalt gegen Frauen. Wenn sich Frauen für 'peacebuilding' einsetzen, thematisieren sie häufig diesen sexistischen Glauben zusammen mit anderen Strukturen, die Menschen diskriminieren.
  • Weil Frauen in vielen Kulturen die zentrale Figur innerhalb der Familie sind, leiden alle darunter, wenn Frauen unterdrückt, zu Opfern gemacht und vom Friedensprozess ausgeschlossen werden. Ihre zentrale Rolle im Gemeinschaftsleben macht es unverzichtbar, sie in den 'peacebuilding'-Prozess einzubeziehen.
    Weil Frauen die Fähigkeit zu beidem haben, zu Gewalt und Frieden, müssen sie ermutigt werden, ihre Fähigkeiten im Friedensprozess einzubringen.
  • Weil Frauen in vielen Gesellschaften auf der Welt von öffentlichen Entscheidungsprozessen, Führungspositionen und Bildungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden, ist es wichtig, spezielle Trainings zu entwickeln, in denen Frauen befähigt werden, ihre Gaben bei den Aufgaben des Friedensprozesses einzubringen.
  • Weil Frauen und Männer unterschiedliche Erfahrungen mit Gewalt und Frieden haben, muss es Frauen erlaubt sein und müssen sie dabei unterstützt werden, ihre spezifischen Einsichten und Gaben in den Friedensprozess einzubringen.
  • Weil Frauen überall auf der Welt bewiesen haben, dass sie erfolgreiche 'peacebuilder' sind, müssen mehr Frauen dazu ermutigt werden, sich an Peacebuilding-Prozessen zu beteiligen, wie es in der Resolution 1325 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen gefordert wurde.
  • Eine Liste mit Methoden / Übungen für Trainings in Gender und Gewaltfreiheit

    Namen berühmter Personen

    Frage die TeilnehmerInnen deiner Gruppe nach Namen von berühmten Persönlichkeiten, die als Statuen in einem neuen, großen Park aufgestellt werden sollen. Politiker, Musiker, Schauspieler,... Danach guckt euch das Verhältnis der Geschlechter an.

    Abendessen in der Familie

    Teilt die Gruppe in kleinere Gruppen, bestehend aus 5-6 Leuten, ein. Diesen Gruppen wird die Aufgabe gegeben eine Szene aus ihrer Kindheit darzustellen, bei der alle Familienangehörige anwesend sind. Sie sollen eine Zeichnung der Szene anfertigen, wer ist wo im Raum, wer macht was, wer bestimmt die Situation? Nachdem die Szenen vorgespielt wurden, starte eine Diskussion über die unterschiedlichen Rollen, die die verschiedenen Geschlechter in der Szene gespielt haben. Weitet die Diskussion darüber aus, wie man diese Szenen auf Gewaltfreiheit hin verändern kann.

    Die richtige Frau/Der richtige Man sein

    Teilt die Gruppe in Männer und Frauen auf. Bittet sie darum, alle Botschaften, die sie aus der Gesellschaft bekommen, wie eine Frau und wie ein Mann zu sein haben, aufzuschreiben. Darauf hin wird jede Gruppe darum gebeten alle Wörter aufzuschreiben, die sie zu hören bekommen, wenn sie sich nicht so verhalten, wie es von ihnen erwartet wird. Anschließend folgt eine Gespräch darüber, wie sie sich gefühlt haben beim Aufschreiben dieser Wörter.

    Der dunkle Raum

    Diese Übung ist nur möglich, wenn man sich innerhalb der Gruppe schon gut kennt. Ihr bedeckt eure Augen und wählt jemanden aus der Gruppe aus, ohne zu wissen wer es ist, und gebt ihm/ihr eine Körpermassage. Danach tauscht ihr die Partner. Am Ende redet ihr darüber, wie ihr euch dabei gefühlt habt, euren Partner nicht zu sehen und nicht zu wissen, welches Geschlecht er hat und wie ihr euch gefühlt habt, bezüglich Vergnügen und Sexualität.

    Den Sprecher beobachten/Die Aussagen des Sprecher beobachten

    Während eines Meetings macht eine Person Notizen, darüber wer redet und was für eine Art Beitrag es ist. Ist es eine Frage oder eine Antwort oder eine Zusammenfassung des Gesagten. Am Ende wird die Liste vorgetragen und versucht die Machtstrukturen in der Gruppe zu verstehen.

    Fischbowl

    Teilt die Gruppe in Männer und Frauen auf und startet getrennte Gespräche, gebt ihnen das Thema, wie die Geschlechter ihr Handeln beeinflusst. Darauf macht ihr eine Fish-Bowl Diskussion, bei der die eine Seite redet und die andere Seite nur zuhören kann. Versucht auf die Unterschiede und auf die Gemeinsamkeiten innerhalb der Gruppen zu achten.

    Kurzfilm – Soziales-Drama

    Zeige einen Teil eines Kurzfilms. Stoppe in der Mitte und überlegt in der Gruppe wie der Film zu Ende gehen wird. Danach guckt den Schluss des Films und diskutiert, warum ihr bezüglich der Gender Rollen angenommen habt, das der Film euer spezielles Ende nehmen wird.

    Statuen

    Ein Mann und eine Frau werden in unterschiedliche Positionen gestellt oder gesetzt, eine beherrschend und die andere unterwürfig. Die Gruppe sagt, nach was es aussieht. Was denken sie, warum stehen/sitzen sie so? Danach tauschen sie die Positionen und die Gruppe wird erneut gefragt.

    Bus

    Stellt Stühle in einer Reihe auf, wie in einem Bus, und bittet die Leute darauf Platz zu nehmen. Untersucht die Unterschiede bei den Männern und den Frauen, ihr Verhalten, wie sie sich fühlen und die Art und Weise wie sie sitzen. Danach bittet die Teilnehmer so zu handeln wie das andere Geschlecht.

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