Gewaltfreies Training für die Kampagne zur Schließung der „School of the Americas“

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Am 16. 11. 1989 wurden sechs Jesuitenpriester, ihre Mitarbieterin und ihre minderjährige Tochter in El Salvador umgebracht. Ein Untersuchungsausschuss des US-Kongresses stellte fest, dass die Verantwortlichen für das Massaker in der US-Armeeschule „School of the Americas“ (SOA) in Fort Benning, Columbus, Georgia, USA, ausgebildet worden waren. Das ist nur der bekannteste Vorfall in der Geschichte der Schule, dasss sie ein Spezialtraining für Lateinamerikanisches Militärpersonal anbot, das bekannt dafür war, Scheußlichkeiten begangen zu haben und Folter auszuüben.

1990 zog Pater Roy Bourgeois, der viele Jahre in Lateinamerika gelebt hatte, in eine Wohnung außerhalb des Haupttores von Fort Benning und gründete die School of the Americas Watch (SOAW). In diesem Jahr fasteten zehn Menschen 35 Tage lang außerhalb des Tores von Fort Benning.

Jedoch wuchs „SOA Watch“ von diesen kleinen Anfängen schnell und zog das Wissen und die Erfahrung vieler Menschen in den USA an, die in den 1970-ern und 80-ern entweder in Lateinamerika oder in Solidarität mit dortigen Bewegungen gearbeitet hatten.

Bei der jüngsten Demonstration an Fort Benning – am 23. November 2008 – kamen 20 000 Menschen bei einer feierlichen Trauerprozession an den Toren des Forts zusammen, bei der sie derjenigen gedachten, die von den Absolventen der School of the Americas gelitten hatten und umgebracht worden waren. Tausende von Menschen kamen für das ganze Wochenende nach Columbus/ Georgia, um an Arbeitsgruppen teilzunehmen, an einer Samstagsrallye, und an Abendkonzerten ebenso an der jährlichen Sonntagsvigil. Sechs Menschen wurden festgenommen, weil sie ins Fort Benning eingedrungen waren.

Heute ist die SOA Watch eine breite, vielfältige Graswurzelkampagne, die in Solidarität mit den Menschen von Lateinamerika gegründet ist. Ihr Ziel ist es die SOA zu schließen und die auswärtige Politik der USA in Lateinamerika zu ändern, indem man die Öffentlichkeit informiert und an kreativem gewaltfreiem Protest ebenso wie an Medien- und Gesetzgebungsarbeit teilnimmt und den Kongress drängt, die Gelder für das Training nicht mehr zu bewilligen. Die letzte Abstimmung im Kongress mit dem Ziel, die Finanzierung zu beenden, verlor mit nur 6 Stimmen. Mit einem neuen Kongress und einem neuen Präsidenten haben die Chancen, die SOA zu schließen, sich verbessert.

Auch in Lateinamerika wurde gearbeitet, mit Aktivisten von SOAW, die dortige Länder besucht haben, um sie zu veranlassne, ihre Truppen von der Schule abzuziehen. In Februar war Bolivien das fünfte Land nach Costa Rica, Argentinien, Uruguay und Venezuela, das ankündigte, es werde nicht länger seine Polizei- oder Militärkräfte schicken, um sich in den USA ausbilden zu lassen.

Das Pentagon hat auf diesen Druck mit einer Werbekampagne geantwortet, um der SOA ein neues Image zu verpassen, und sie im Januar 2001 umbenannt zum „Institut für Sicherheitskooperation der Westlichen Hemisphäre“ (WHINSEC). Aber die Kampagne spricht weiter von der SOA – „School Of Assasins“ (Mörderschule).

Gewaltfreiheit

Die Kampagne zur Schließung der SOA war immer in einer Verpflichtung zur Gewaltfreiheit verwurzelt. Alle, die an gewaltfreien direkten Aktionen teilnehmen und alle, die die Mahnwachen und Demonstrationen mitmachen, verpflichten sich auf die gewaltfreien Richtlinien. Die Richtlinien, die über die Jahre hinweg durch einen Veränderungsprozess hindurchgegangen sind, werden an alle Teilnehmer verteilt und während der jährlichen Novemberdemonstration am Fort Benning gemeinsam gelesen.

In den 1990-er Jahren machten erst Hunderte und dann Tausende bei gewaltfreien Massenaktionen mit: sie überschritten die Grenzlinie und marschierten auf das Gelände vor, wo sie gestoppt und zurückgebracht wurden. Die Vorbereitung bestand einfach aus einer breiten Orientierungssitzung. Gegen viele wurden Platzverweise ausgesprochen, mit dem Hinweis, man werde sie verhaften, wenn sie zurückkehrten. Natürlich kehrten die meisten zurück und um sie für ihre Verhaftung vorzubereiten, gab es Vorbereitungstreffen für direkte Aktion für diese „Zweitgeher“ zusammen mit denjenigen, die Aktionen mit größerem Risiko planten – wie Fahnen aufzuhängen oder Grabmarkierungen auf dem Gelände anzubringen. Im Jahre 2000 nahmen etwa 10 000 Menschen an der Demonstration teil, 3600 überschritten die Linie und von diesen bekamen 2100 Platzverweise mit dem Befehl, nicht zurückzukehren. Fünfundzwanzig Personen wurde der Prozess gemacht, ihre Strafen reichten von Bewährung bis zu 6 Monaten im Staatsgefängnis.

Nach dem 9. 11. (2001) wurde ein Zaun rund um Fort Benning gebaut, und es war für große Menschenmengen nicht mehr möglich, die Straße bis zum Gelände hinunterzugehen. In diesem Jahr wurden 31 Personen festgenommen, weil sie den Verkehr blockiert hatten.

Im Jahre 2002 wurde einer wachsenden Anzahl von Personen, die früh nach Columbus kamen, um zum Wochenende an Arbeitsgruppen teilzunehmen, drei Stunden Training in Gewaltfreiheit angeboten. In diesem Jahr gab es im Vorfeld der Aktion einen besonderen Kampf, weil die Stadtpolizei Kontrollpunkte einrichtete, um Demonstranten und ihr Gepäck zu durchsuchen. Die gewaltfreien Trainings schlossen Rollenspiele ein, um die Menschen vorzubereiten, mit dem Verfahren umzugehen, was die Aussage einschloss: „Ich bin mit dieser Durchsuchung nicht einverstanden.“

Ein Jahr später, eine Woche vor der SOAW-Demonstration, griff die Polizei von Miami „Antiglobalisierungs-Demonstranten“ an und verletzte Dutzende von ihnen. Viele Gruppen, die an Miami teilnahmen, planten, zum ersten Mal zum SOAW-Protest zu kommen. Als die Rechtsanwälte der WOAW die Gesetzmäßigkeit der polizeilichen Durchsuchung von Demonstranten bestritten, überzeugte die Polizei den Richter, sie sei notwendig, da so viele „Anarchisten“ von den Miami-Protesten her kämen. Als dann die Menschen zur Mahnwache kamen, verteilten wir Armbänder mit dem Symbol der Anarchisten – ein großartiger Anblick, Tausende von Menschen, von College-Schülern bis zu grauhaarigen katholischen Nonnen das Symbol der Anarchisten auf der Straße zum Fort Benning tragen zu sehen. Die Durchsuchungen wurden später für verfassungswidrig erklärt und vor den Demonstrationen von 2004 ausgesetzt.

Einige Trainingsteilnehmer von 2003 hattten Angst vor denen, die von Miami kamen: sie warfen ihnen Gewalt gegen die Polizei vor und fürchteten dasselbe in Georgia. Das gab die Gelegenheit, Polizeitaktiken und die wirkliche Geschichte zu diskutieren und Menschen zu helfen, durch Rollenspiele und Diskussionen mit ihren Ängsten umzugehen. Auf der anderen Seite waren einige der Demonstranten aus Miami überrascht, dasss die Polizei die SOA-Demonstranten nicht angriff: von ihrer Erfahrung mit Antiglobalisierungsdemonstrationen dachten sie, Polizeigewalt sei unvermeidlich. Sie hatten niemals in einer Demonstration mit gewaltfreien Richtlinien und einer Geschichte von Gewaltfreiheit teilgenommen.

Die Sonntagsmahnwache von 2004 wurde von 16 000 Menschen besucht, und 2006 erreichten die Zahlen 20 000. Dieses Wachstum ist ein Ergebnis von guter Organisation. Pater Roy hält im ganzen Land Vorträge, und verschiedene Videos über SOA werden gezeigt. Ein Teil der Arbeit bestand darin, Verbündete bei den Gewerkschaften zu gewinnen, von den Veteranen für den Frieden, Oberschulen, Gemeinschaften und religiösen Gruppen, die Lastwagen, Busse und Flugzeuge organisieren, um die Menschen zum Wochenende der Ereignisse zu bringen.

Die Rolle der Trainings

Über die sieben Jahre, in denen wir freitags Trainings in gewaltfreier Aktion gemacht haben, mussten wir eine Reihe von Situation in Betracht ziehen. Die Polizei hat Zäune aufgerichtet und den Zugang zu benachbarten Grundstücken in wachsendem Maße erschwert. In einem Jahr schmetterte Fort Benning „patriotische“ Musik gegen uns und versuchte so, die Reden und die Musik von unserer Bühne zu ertränken. Der Gedenktag „Gott segne Fort Benning“ ist ein Gegenereignis geworden, das über die letzten Jahre ebenfalls gewachsen ist. Fort Benning ist auch eine wichtige Basis für Soldaten geworden, die nach Irak gingen und von dor zurückkamen und die die Opposition der Ortsansässigen gegen die Gegenwart von Demonstranten auf den Plan riefen.

Da große Mengen neuer Teilnehmer kommen, ist das einführende Training in Gewaltfreiheit gedacht für Menschen, denen große Demonstrationen neu sind und die niemals an einem Training in Gewaltfreiheit teilgenommen haben. Der Zeitplan schließt eine Erforschung dessen ein, was mit Gewaltfreiheit und gewaltfreien Aktionen gemeint ist; wie wir uns selbst vorbereiten können, um unsere Verpflichtung zur Gewaltfreiheit aufrechtzuerhalten, einen Überblick über das Szenario für die gesetzkonforme Aktion, Kenntnisse über unsere Rechte und ein Verständnis der Risiken und Konsequenzen gewaltfreien zivilen Ungehorsams.

Die meisten derjenigen, die an diesem Training teilnehmen, sind junge Leute, die niemals auf einer Demonstration gewesen sind. Das bedeutet für die Trainer gewisse Herausforderungen. Ich bemerkte, dass ich zu viel voraussetzte, als ich ein Problem aufwarf und einer Seite sagte: „Ihr seid bei einer Demonstration“: da erfuhr ich, dass kein einziger von ihnen jemals auf einer Demonstration gewesen war. Das erforderte mehr Vorbereitung. Wir beginnen jetzt diesen Prozess, indem wir einen potentiellen Konflikt zwischen ihnen und jemanden in ihrem Leben annehmen, der nicht will, dass sie zu der Demonstration gehen. Dann eskalieren wir von dort aus. Es ist auch eine Herausforderung, nur drei Stunden mit einer Gruppe zu haben, die 50 oder mehr Menschen umfasst, die mit verschiedenen Bedürfnissen kommen. Einige stört schon die bloße Idee eines Konflikts, andere fürchten, wir würden sie nicht auf das Schlimmste vorbereiten. Aber über die Jahre haben wir gefunden, dasss diese Demonstration für viele wie ein Startpunkt in die Bewegung für Frieden und Gerechtigkeit ist, die Trainings in Gewaltfreiheit sind eine hilfreiche Grundlegung.

Als wir bemerkten, dass die Menschen im folgenden Jahr wieder zum einführenden Training kamen, fügten wir ein Training zum Aufbau von Fähigkeiten bei, das Lerneinheiten für die Entwicklung gewaltfreier Kampagnen einschließt und Werkzeuge, um Gruppen zu helfen, ihre Analyse zu vertiefen, ihre Verbündeten zu identifizieren und wirksame gewaltfreie Aktionen zu entwickeln, so dass sie ihre Arbeit weiterführen können, wenn sie nach Hause gehen. Eine dritte Trainingsoption wird gerade für das kommende Jahr geplant.

Trainings finden auch statt, um Menschen vorzubereiten für Rollen wie Friedensstifter und gesetzliche Beobachter. Für diejenigen, die sich in zivilem Ungehorsam engagieren, lauteten die Urteile auf 3 bis 6 Monate Gefängnis. Deshalb wurde ein starkes Unterstützungssystem für diejenigen geschaffen, die dieses Risiko in Erwägung ziehen, um ihnen beim Entscheidungsprozess zu helfen und während und nach ihrer Zeit als Gefangene.
Training in Gewaltfreiheit und gute Strategien für Kampagnen können zusammen mit Graswurzelorganisation die Volksmacht entwickeln, um ein Klima und eine Kultur zu schaffen, die die Existenz von Institutionen wie der SOA/WHINSEC unmöglich zu machen.

Joanne Sheehan

Übersetzung ins Deutsche: Gerd Büntzly

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