Politische Gefangene in Indonesien

In jedem Jahr wird bei der Veröffentlichung der Ehrenliste der Gefangenen für den Frieden eine bestimmte Kampagne oder geographische Region in den Mittelpunkt gerückt. Maggie Helwig informiert über diejenigen, die wegen ihrer politischen Aktivitäten in Indonesien und Ost-Timor inhaftiert sind.

Maggie Helwig

Als B. J. Habibie im Mai das Amt des Präsidenten übernahm, war eine seiner ersten Amtshandlungen, zwei prominente politische Gefangene zu entlassen. Weitere Entlassungen folgten -- zwischendurch versprach die Regierung, alle politischen Gefangenen freizulassen. Aber Hunderte von Menschen, darunter AktivistInnen, die sich gewaltfrei für soziale Gerechtigkeit einsetzen und zu sehr langen Haftstrafen verurteilt worden sind, befinden sich noch immer wegen politischer Vorwürfe in indonesischen Gefängnissen, und der Prozeß der Entlassungen ist zum Stillstand gekommen. Es wird nicht mehr versprochen, daß alle politischen Gefangenen entlassen würden, und in der Tat ist es ohne internationalen Druck keineswegs sicher, daß überhaupt noch weitere entlassen werden. Man nimmt an, daß das Militär Habibie diktiert hat, wer freigelassen werden kann und wer nicht, und daß die Freilassungen die Grenze erreicht haben, die das Militär bereit ist zu akzeptieren.

Dies ist ein kritischer Zeitpunkt für die indonesischen AktivistInnen im Gefängnis. Die Regierung Habibie befolgt weitgehend die Instruktionen des Militärs, aber Habibie ist auch extrem verletzbar gegenüber Druck von außen und sehr ängstlich wegen der Meinung im Ausland. Wenn die Regierenden erfahren, daß die Welt sich um diejenigen, die noch immer in Haft sind, sorgt, ist es immer noch möglich, daß sie sich entscheiden, sie freizulassen.

Ein indonesischer Aktivist hat das Cipinang-Gefängnis Jakarta -- wo viele politische Gefangene inhaftiert sind -- als "den besten Platz im Land für Versöhnung" beschrieben. In Cipinang haben Mitglieder der alten Kommunistischen Partei von Indonesien Freundschaften mit frommen Moslems entwickelt, Verfechter der Unabhängigkeit Ost-Timors und West Papuas mit javanischen Studenten und Gewerkschaftern -- tatsächlich begann für einige der Indonesier, die sich am intensivsten für Menschenrechte und Selbstbestimmung in Ost-Timor einsetzen, ihr Engagement in Cipinang für diese Sache während der gemeinsamen Haftzeit mit timorischen Gefangenen. (Ein längerer Artikel über die politischen Gefangenen in Cipinang ist in der Peace News von August/September 1997 zu finden.)

Unter denen, die sich noch im Gefängnis befinden, sind acht Mitglieder der PRD, einer kleinen politischen Partei, die während der Suharto-Jahre verboten war. Obwohl die PRD nun von einem Gericht in Jakarta als legale Organisation anerkannt worden ist und obwohl die acht Gefangenen keiner Tat beschuldigt werden, die auch nur entfernt einer kriminellen Handlung ähnelt, erscheint es unwahrscheinlich, daß sie, die alle 1996 inhaftiert worden sind, in absehbarer Zeit freigelassen werden. Ihnen wird vorgeworfen, daß sie ArbeiterInnenkundgebungen organisiert, ein Referendum über den Status von Ost-Timor gefordert und sich für ein offeneres politisches System eingesetzt haben, das weniger vom Militär dominiert sein sollte. Budiman Sudjatmiko, der Vorsitzende der PRD, muß wegen dieser „Verbrechen" eine dreizehnjährige Haftstrafe über sich ergehen lassen. Vier Mitglieder der PRD wurden kürzlich aus dem Gefängnis entlassen, [siehe Interview mit Wilson] aber es besteht offensichtlich nicht die Absicht, die restlichen Acht zu freizulassen.

Viele Ost-TimorerInnen sind in indonesischen Gefängnissen inhaftiert. Unter ihnen sind drei Überlebende des Santa-Cruz-Massakers von 1991, in Haft wegen der Teilnahme an einem friedlichen Marsch in Ost-Timor, bei dem Hunderte anderer vom indonesischen Militär abgeschlachtet wurden.

Einer von den dreien ist zu lebenslanger Haft verurteilt. Zwei andere sind im Gefängnis, weil sie in Jakarta eine kleine friedliche Protestkundgebung gegen das Massaker organisiert hatten.

Es gibt auch viele Gefangene aus West-Papua. Darunter sind fünf Männer, die Ende September festgenommen wurden, weil sie versuchten, ein Treffen zu organisieren, bei dem über den politischen Status des Gebiets diskutiert werden sollte. Ein sechster Mann, ein traditioneller Führer und ehemaliger Abgeordneter, versuchte die Freilassung der Fünf zu erreichen, indem er der Polizei anbot, ihn im Austausch in Haft zu nehmen, aber stattdessen wurde auch er festgenommen und angeklagt, und die anderen wurden nicht freigelassen.

Ein anderer Gefangener in Cipinang, der erwähnt werden muß, auch wenn er nicht als "Gefangener für den Frieden" im engeren Sinn gelten kann, ist Xanana Gusmão, ehemaliger Führer des bewaffneten Widerstands in Ost- Timor und jetziger Präsident des Nationalen Rats des timorischen Widerstands. Obwohl Xanana sich eindeutig an Gewaltakten beteiligte, spielte er eine wesentliche Rolle bei der Herausbildung eines gewaltfreien zivilen Widerstands. Gruppen in aller Welt, einschließlich Amnesty International, setzen sich heute für seine Freilassung ein, teils weil er, zusammen mit Bischof Belo, die in einem breiten Spektrum am meisten respektierte Person in Ost-Timor ist, teils weil viele davon ausgehen, daß kein Friedensprozeß legitim oder erfolgreich sein kann, wenn Xanana nicht direkt in die Verhandlungen einbezogen ist.

Einige der Menschen auf der Liste sind nicht formell irgendeiner Straftat angeklagt worden, aber wir nehmen an, daß sie wegen gewaltfreier politischer Aktivitäten gefangengehalten werden. Das ist der Fall bei mehreren timorischen Gefangenen, von denen angenommen wird, daß sie wegen ihrer Beteiligung am unbewaffneten geheimen Widerstand in Haft sind.

Folter ist weit verbreitet, besonders gegen Gefangene aus Ost-Timor, West- Papua und Aceh. Diejenigen, die noch nicht förmlich angeklagt sind und an entlegenen Orten festgehalten werden, sind besonders dem Risiko der Folter, am häufigsten durch Schläge und Elektroschocks, ausgesetzt.

Einige der Menschen auf dieser Liste sind „verschwunden". Die Regierung hat zugegeben, daß die meisten oder alle der „Verschwundenen" vom Militär aus politischen Gründen entführt worden sind; sie behauptet jedoch, den gegenwärtigen Aufenthaltsort oder Zustand der AktivistInnen nicht zu kennen. Da Ihr den Verschwundenen keine Karten schicken könnt, schickt bitte Karten an die Regierung von Indonesien, nennt ihre Namen und fragt nach ihrem Verbleib. (Wir haben nur wenige der vielen „Verschwundenen" aufgelistet.)

Maggie Helwig ist ein Mitglied des Rats der WRI und arbeitet seit vielen Jahren zu Indonesien und Ost Timor.
Mehr Information bei der Kampagne zu Menschenrechten in Indonesien: Tapol, 111 Northwood, Thornton Heath, Surrey CR7 8HW, Großbritannien (Tel. +44 181 771 2904; Fax 653 0322; email tapol@gn.apc.org)
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